Moment mal

Familie als Lernort der Demokratie

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Lernorte der Demokratie III 

Familie als Lernort 

Keine Frage, die Familie ist ein dynamischer Lernort der Demokratie. Was in der Familie Kindern vorgelebt wird, ist für sie häufig prägend und hat langfristige Auswirkungen auf die Mitwelt und Nachwelt.

Eine demokratische Grundhaltung lebt davon, ob und wie „Politik“ in der Familie gelebt und vermittelt wird: Wenn Jugendliche keine verständnisvollen und vertrauenswürdigen Gesprächspartner haben, weil das Thema „Politik“ tabuisiert wird, kann auch kein Gespräch stattfinden, das die Unterscheidungs- und Urteilskraft, politische und historische Bildung sowie den sozialen Zusammenhalt und das friedliche Zusammenleben stärkt. Hören Jugendliche nur politische Stammtischparolen, werden Vorurteile und Feindbilder gepflegt, Gehässigkeiten, Feindseligkeiten und Ängste verbreitet, öffnen sich Türen zu einem ideologischen Kartenhaus, indem ein autoritärer, totalitärer und fanatischer Geist herrscht. Und indem zur Scheindemokratie, vor allem zur Menschenfeindlichkeit und zur Gewaltbereitschaft erzogen wird.

Zum Wagnis „demokratisches Verhalten“ gehören jedoch gegenseitiges Zuhören und Verstehen, offene Kommunikation und regelbasiertes Diskutieren, ein aufgeklärter Austausch von Informationen und Erkenntnissen sowie ein gemeinsamer Entdeckungsprozess bei der Suche nach seriösen Quellen. Und die Kraft, unterschiedliche Auffassungen auszuhalten, die Person von seiner Meinung zu unterscheiden, vor allem stets die Menschenwürde zu achten.

Im Schutz- und Entwicklungsraum der Familie kann die Pflanze Demokratie wachsen und gedeihen sowie Frucht für Gesellschaft und Staat bringen, wenn sie gepflegt wird, indem bei allem Streit um Macht (Wer setzt sich durch?), um Deutungen (Wer weiß es besser?), um Interessen (Wer profitiert?), um Wertschätzung (Wer wird anerkannt?):

die Realitäten unvoreingenommen und möglichst umfassend ernstgenommen werden; dem Gesprächspartner empathisch und vorurteilsfrei begegnet wird; ihm angstfrei und argumentativ widersprochen werden kann; Meinungsverschiedenheiten respektiert und toleriert werden; ein Meinungsbildungsprozess fair und kritisch geführt wird; Mut zur Selbstkritik und zur Selbstkorrektur möglich ist, ohne sein Gesicht zu verlieren.

In der Familie kann Mitreden, Mitwirken, Mitbestimmen, Mitverantworten und natürlich auch Selbstbestimmen und Selbstverantworten sowie die Unterscheidung von Meinungsfreiheit, Beleidigung und Volksverhetzung gelernt werden – gute Voraussetzungen, um außerhalb der Familie sich für eine lernende und streitbare Demokratie einzusetzen, die nicht von Sonderinteressen, Täuschungsmanövern und Trittbrettfahrerei, nicht von Intoleranz, Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt beherrscht wird. Sondern statt verschlossener Augen, Scheren im Kopf, Fäuste in der Luft, Schläge unter die Gürtellinie, schreiender Mäuler allen Menschen und zukünftigen Generationen gleiche Lebenschancen und gleichberechtigte Perspektiven schafft: durch einen starken demokratischen Rechtsstaat mit Gewaltenteilung und Gewaltmonopol, aber auch durch die ausgestreckte Hand und einen mutigen Brückenbau freier und mündiger Menschen. (Fortsetzung folgt)

Burkhard Budde