Demokratie braucht Demokraten
Bundestagspräsident a.D. Norbert Lammert
Von Burkhard Budde

Demokratische Regeln
wichtiger als eigene Interessen
Bundestagspräsident a.D. sprach über „Demokratie braucht Demokraten“
Eine faszinierende Lehrstunde in Demokratie erlebten etwa 80 Teilnehmer einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer Stiftung (KAS) am 26. Mai in der Landesmusikakademie in Wolfenbüttel. Christoph Bors, KAS Landesbeauftragter und Leiter des Politischen Bildungsforums in Niedersachsen, sowie Prof. Dr. Reza Asghari, KAS-Vertrauensdozent und CDU-Bundestagsabgeordneter für den Landkreis Wolfenbüttel, die Stadt Salzgitter und für Teile des Harzes, hatten eine bekannte und anerkannte Persönlichkeit mit politischer Reife und geistiger Substanz eingeladen: Prof. Dr. Norbert Lammert (76), der von 2005 bis 2017 Präsident des Deutschen Bundestages war und diesen drei komplette Legislaturperioden parteiübergreifend leitete und seit 2018 KAS-Vorsitzender ist, sprach zum Thema „Demokratie braucht Demokraten“.
Wie Reza Asghari – ein „kreativer Gestalter für das Gemeinwesen“, so Christoph Bors über Asghari – setzt sich Norbert Lammert für eine gelebte Demokratie ein. „Sie findet nur statt, wenn es engagierte Demokraten gibt.“
Lammert, der ohne Manuskript frei sprach, erinnerte an die Geschichte Deutschlands und machte deutlich, dass die Geschichte zugleich Weichenstellerin, Motor und Lernpotential gewesen ist. Zum Beispiel habe 1948 der Parlamentarische Rat unter der Leitung von Konrad Adenauer mit dem Grundgesetz dem „Land am Ende“ eine „plausible Erfolgsperspektive“ gegeben. Die Weimarer Republik sei eine Demokratie mit zu wenig Demokraten gewesen und letztlich an der Einigungsunfähigkeit der Demokraten gescheitert. Und die am 18. März 1990 erste und letzte frei gewählte DDR-Volkskammer hat aus nachvollziehbaren Gründen am 23. August 1990 den Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland erklärt.
Auch auf die gegenwärtigen politischen Herausforderungen der Demokratie ging der stets kritisch und unabhängig denkende Politiker ein. Zu „ernst zu nehmende Demokratien“, die weltweit weniger würden und weltweit in der Minderheit seien, gehörten u.a. freie Wahlen, fairer Wettbewerb um Mandate, Gewaltenteilung, möglicher Machtwechsel, unabhängige Gerichte, ein einklagbarer Katalog von Grundrechten wie Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit und Pressefreiheit. Der Vorsitzende des Clubs der Demokratien, US-Präsident Donald Trump, habe jedoch den Club verlassen und der Westen müsse sich neu organisieren.
Die Demokratie sei erneut herausgefordert: Sollen Regeln oder Ellenbogen das Sagen haben; Soll nach Regeln, die für alle gelten, entschieden werden oder das Faustrecht gelten? Putin stelle internationale Regeln brutal in Frage; an die Stelle von Regeln setze Trump Deals.
Die deutsche Demokratie werde stabil und akzeptiert bleiben, und funktionieren, wenn es weiterhin viele engagierte Demokraten gebe.
Auch in Deutschland hänge die demokratische Zukunft nicht von einem geschriebenen Verfassungstext ab, sondern vom Bewusstsein gemeinsamer Verantwortung für die Demokratie. Und mit einem Spitzensatz endete das beeindruckende Erlebnis mit dem Demokraten Norbert Lammert: „Die Geltung von vereinbarten Regeln ist wichtiger als die Durchsetzung von eigenen Interessen.“
Man kann nur hoffen, dass diese Botschaft zum Leuchtfeuer in allen politischen Machtzentren der Welt wird.
Burkhard Budde


