Moment mal

Danken

Von Burkhard Budde

Danken und Denken gehören zusammen – auch ein schmackhaftes Essen ist nicht selbstverständlich

Moment mal

„Danke“ als Türöffner

Gibt es ein Echo auf eine gute Tat? „Er hat sich bei mir bedankt!“ strahlt eine Person, die sich mitmenschlich verhalten hat. „Unsere Beziehung ist jetzt viel entkrampfter und vergoldet worden.“ Übertreibt die Person? Ist das Wort „Danke“ wirklich ein Türöffner für eine erneuerte Beziehung? Ein Schlüsselwort, das den Geber zu weiteren „guten Taten“ ermutigt?

Kritische Geister können die verschiedenen Geister unterscheiden, die zum Beispiel im höflichen „Thank you“, im ästhetischen „Grazie“, im anmutigen „Mercie“ oder im denkenden „Danke“ stecken.

„Undank ist der Welt Lohn!“ behaupten manche, die bei jedem Schritt und Tritt das Zauberwort „Danke“ erwarten und enttäuscht sind, wenn ihre überhöhten Erwartungen nicht erfüllt werden.

„Das ist mein gutes Recht“, sagen andere selbstbewusst, die „Danke“ als überflüssige Floskel ansehen und nur an die Durchsetzung ihrer Interessen denken.

„Ich gebe, damit du gibst“, verraten wieder andere, die eine „gute Tat“ erbringen und dafür auf eine „gute Tat“ als Gegenleistung hoffen.

„Du kannst doch dankbar sein und mehr geben“, fordern manche von anderen, denken aber selbst nicht daran, den eigenen Geldbeutel zu öffnen.

„Dankbarkeit ist frischer Wind für eine Beziehung“, berichten Menschen. Dankbarkeit könne eine Gemeinschaft nicht nur begründen, sondern auch den Staub im Miteinander vertreiben und einer Beziehung neuen Schwung geben. Der Dankbare, der unabhängig und aufrichtig sei, könne jedenfalls auf Augenhöhe deutlich machen: „Mit meinem Dank würdige ich dein Verhalten, indem ich hoffe, dass wir beide frei und autonom bleiben.“

„Wer dankt, denkt weiter“. Ist es selbstverständlich, dass ich lebe? Kann nicht „über Nacht“ alles anders sein? Und überhaupt: Können Fische ohne Wasser leben? Können Bäume ohne Wurzeln überleben? Hat ein Mensch sich selbst das Leben gegeben? Ist alles „Zufall“? Könnte der „Zufall“ ein Tarnwort für die Wurzeln und das Wasser des Lebens sein – für den unsichtbaren Gott, der in der Gabe des Lebens geheimnisvoll anwesend ist? Und könnte die göttliche Gabe des Lebens nicht eine menschliche Aufgabe sein, das Leben in Dankbarkeit und in Verantwortung vor dem Schöpfer zu gestalten, zu bewahren und zu erneuern?

Das Erntedankfest, das zu den ältesten Festen der Menschheit gehört, ist ein Dankfest, denn „alle gute Gabe kommt her von Gott, dem Herrn“ (Matthias Claudius, 1783). Jeder kann seinem Schöpfer danken – vor allem für geschenkte Lebenszeit und für seine Liebe, die nur Neuanfänge kennt.

Das Fest ist jedoch auch ein Denkfest, das zur liebenden Vernunft ermutigt: Denn das Leben muss fortwährend erneuert werden, damit es wachsen und reifen kann, Früchte trägt. Und der Geber aller guten Gaben den Menschen segnet.

Burkhard Budde

Veröffentlicht auch im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe

in der Kolumne „Moment mal“ am 2.10.2021