Auf ein Wort

Chancenlose Liebe

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Chancenlose Liebe? 

Können wir auf die „Liebe“ pfeifen? Weil sie keine Chance gegenüber einem Tyrannen hat, dessen Untertanen nicht aus der Reihe, sondern nach seiner Pfeife tanzen sollen. Ist die Liebe machtlos gegenüber dem Instrumentenkasten großer und kleiner Tyrannen, die mit Drohungen und Erpressungen, Beleidigungen und Erniedrigungen arbeiten, aber auch die Moralkeule schwingen können oder mit Zuckerbrot und Peitsche andere gefügig machen wollen.

„Besonders in der Adventszeit, in der ich mich auf das Fest der Liebe und der Familie vorbereite,“ berichtet eine Frau, „leide ich unter der Lieblosigkeit meiner Tochter, die mir ständig Vorwürfe macht, wohl eifersüchtig auf ihren Bruder ist und den Kontakt zu meinen Enkelkindern verhindert.“ Ihr würden immer wieder neu die alten Kamellen aufgetischt. Oder ein Mann erzählt, dass wegen Erbstreitereien in der Familie Funkstille herrsche. Das Klima sei wegen des „lieben Geldes“ vergiftet, das Tischtuch zu seinen Verwandten endgültig zerschnitten. Er werde im kleinsten Kreis Weihnachten feiern, fügt er frustriert hinzu. Und eine andere Person, die politisch interessiert ist, meint: „Für mich ist Putin ein Tyrann, der die Liebe durch seine Herrschafts- und Besitzansprüche sowie seinem brutalen Angriffskrieg tötet.“ Er könne sich auf das Fest der Liebe nicht freuen.

Ist das bevorstehende Fest der Liebe in solchen oder ähnlichen Situationen nur ein kommerzielles Geschäft, um mehr und anders zu konsumieren, hohles Gerede von Träumern, die sich in ihre scheinbar heile Welt flüchten, eine fromme Droge, die bestehende Konflikte betäubt oder nur eine gutgemeinte Illusion, die an jedem Ort und zu jeder Zeit in Hass umschlagen kann?

Aber gibt es wahre Liebe ohne Zuversicht?

Manchmal fühlt sich die Liebe wie eine Schnecke an, die kaum von der Stelle kommt; wie eine Schildkröte, die nicht aus ihrem Versteck hervorkommt; wie ein Reh, das nur kurz gesehen wird, dann aber wieder in Windeseile im Tyrannen- Dickicht der Konflikte und Streitereien verschwindet.

Dennoch wissen Liebende, dass zur Liebe nicht nur begründetes Vertrauen und Verantwortung füreinander gehören, sondern auch die Freiheit zur Vernunft und zum Warten können. Denn wer kann einen erwachsenen Menschen – geschweige denn einen Tyrannen – ändern, wenn der sich in seinem Denken, Fühlen und Verhalten nicht selbst ändern will? Die Kommunikation um jeden Preis und zum falschen Zeitpunkt macht keinen Sinn, sondern wird nur als Kniefall vor der Würdelosigkeit missverstanden. Dann würden Besserwisserei und Rechthaberei, Größenwahn und Ichsucht wie Mühlsteine am Adventskranz hängen bleiben.

Aber man kann ja einen mutigen Brief schreiben, vielleicht mit dem Inhalt: „Ich akzeptiere, auch wenn es mir schwer fällt, dass Du keine Gemeinschaft mit mir haben willst, dass wir unterschiedliche Wahrnehmungen und Meinungen haben. Und doch sollst Du wissen, dass meine Tür für eine Aussprache auf Augenhöhe und im gegenseitigen Respekt, für Versöhnung und Liebe offen bleibt.“ Wenn ich die biblische Botschaft richtig verstehe, käme in einem solchen menschlichen „Liebesbrief“ etwas von einem bereits verschickten göttlichen Liebesbrief zum Leuchten. Und keiner müsste auf diese zuversichtliche Liebe „pfeifen“.

Burkhard Budde