Moment mal

Theos begegnet

Von Burkhard Budde

Einladung, in der Gottlosigkeit die Spuren Gottes zu entdecken

Moment mal

Begegnung mit Theós

Manchmal muss man die Gelegenheit beim Schopfe packen. Das gilt nicht nur für exklusive Schnäppchen oder flüchtiges Glück, sondern auch für Begegnungen mit Theós (griech. Gott).

Die alten Griechen dachten bei „Chancenverwertungen“ an den Gott Kairós, der im Gegensatz zu Chronos, dem Gott des kontinuierlichen Zeitflusses, den rechten Zeitpunkt verkörperte. Kairós war geschwind wie der Wind. Wer die Haarlocke auf seiner Stirn nicht sofort ergriff, konnte ihn an seinem kahlen Hinterkopf nicht mehr fassen: Chance vertan.

Auch heute erleben Menschen: Wer mit hängendem Kopf und geschlossenen Augen durch das Jahr geht, kann wichtige Momente verpassen. Wer jedoch aufrecht geht, Chancen sieht, sie schnell und geschickt ergreift, kann Neues entdecken. Und sogar den Spuren Gottes begegnen.

Einige Beispiel: Ein erfolgreicher Mann, der lange Zeit eine Kirche nur von außen gesehen hat, erzählt nach einem Gottesdienst: „Während der Predigt hat es bei mir plötzlich Klick gemacht, als wenn Gott selbst zu mir gesprochen hätte.“

Eine schwer erkrankte Person, die bislang keine Zeit für „fromme Fragen“ hatte, berichtet von ihren panischen Ängsten. Als sie jedoch das Vaterunser, das sie einmal als Kind auswendig lernen musste, betete, verspürte sie eine unsichtbare Gemeinschaft mit Gott. Und neues Grundvertrauen und innere Gelassenheit seien gewachsen.

Eine Person, die sich ungerecht von einem „eiskalten Zeitgenossen“ mit gespielter Freundlichkeit behandelt fühlte, erhält von diesem überraschend einen Brief mit der Bitte um Entschuldigung und Aussprache: „Mir ist, als wenn der Gott des Friedens seine Finger mit im Spiel hat,“ sagt die Person, die die Hoffnung auf Gottes Wirken nie aufgegeben hat.

Nur Schwärmerei? Solche oder ähnliche Begegnungen sollten nicht absolut gesetzt werden. Aber der souveräne Gott – so auch die vielen Zeugnisse der Bibel – kennt viele Wege, Menschen in der Begegnung mit ihm in Bewegung zu setzen: Ihnen Kraft und Mut zu schenken, den Hochmut durch Liebe in Demut zu verwandeln, Gier und Neid, Selbstsucht und Selbstgerechtigkeit zu bändigen. Um dann bei nächster Gelegenheit auf Augenhöhe und mit Rückgrat Neuanfänge beim Schopfe zu packen.

Burkhard Budde

Veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe

am 8.1.2022 in der Kolumne „Moment mal“