Moment mal

Ärger über den Ärger

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Ärger über den Ärger 

Mensch ärgere Dich nicht! Was schon beim beliebten Gesellschaftsspiel nicht so einfach ist, scheint im wirklichen Leben eine noch größere Herausforderung zu sein: Wie der Neid ist der Ärger allgegenwärtig und wirkmächtig. Plötzlicher Verdruss bringt schnell Frust. Unerwartet Unangenehmes und nicht Gewünschtes verletzt schnell das geliebte Ego. Wie aus heiterem Himmel – als wenn gewürfelt worden wäre – taucht der Ärger auf: Hätte ich doch den Mund gehalten und nichts gesagt! Oder hätte ich doch den Mund geöffnet und dem Unsinn widersprochen!

Anlässe, sich auch über Personen oder Situationen zu ärgern, sind zahlreich:

Der eine explodiert wegen des Sturkopfs, der selbst mit Engelszungen – geschweige denn mit Argumenten – nicht zu überzeugen ist. Und noch stolz auf seine Dummheit ist, weil er felsenfest davon überzeugt ist, die Wahrheit gepachtet zu haben.

Der andere frisst seinen Ärger in sich hinein – zum Beispiel über den selbsternannten Moralisten, der für eine bessere Welt kämpf, aber Mitmenschen demütigt und ausgrenzt.

Wieder einer fährt aus seiner Haut, weil er die ständigen Wiederholungen falscher Tatsachenbehauptungen nicht mehr ertragen kann.

Das Leben kennt eine Fülle von Ärgernissen: Der Streik, der unbeteiligte Menschen als Geisel in Haftung nimmt; die Technik, die nicht funktioniert; das übertriebene Scrollen und Datteln am Handy, das unkonzentrierter und unglücklicher macht – um nur wenige weitere Beispiele zu nennen. Und dann gibt es noch die berühmte Fliege im Schlafzimmer, die beim Einschlafen die Nerven strapaziert. Oder die bekannte Prinzessin auf der Erbse, die überempfindlich ist und heute noch in supersensiblen Menschen weiterlebt, die bei jeder Kleinigkeit unter die Decke gehen, weil sie sich persönlich angesprochen und verletzt fühlen.

Zum Glück kennen wir Menschen neben Ärger und Wut noch positive und konstruktive Gegenkräfte: zum Beispiel einen freundlichen Blickkontakt, ein nettes Wort, ein ehrliches Lob, eine höfliche Geste. Vor allem Pausen, die einen Blick in den Spiegel ermöglichen und zum Nachdenken ermutigen: Warum ärgere ich mich eigentlich? Ergibt mein Ärger Sinn? Warum lasse ich es zu, dass der andere, über den ich mich ärgere, eine solche Macht über mich hat? Gibt es Alternativen zum Ärger – ein offenes und zeitnahes sowie (selbst-)kritisches und reflektiertes Gespräch, damit ich jeden Morgen wieder in den Spiegel schauen kann?

Wer über den reißenden Strom des Ärgers Brücken der Kommunikation schlagen will, sollte jedoch nicht ins Schwimmen geraten, sondern auch offensiv und klar machen, dass Ärger über Mobbing und Erpressung, Gewalt und Hass berechtigt ist und bekämpft werden muss.

Grundsätzlich kann der Humor eine besondere Perspektive darstellen: Durch die Brille der Leichtigkeit und Vergänglichkeit allen Lebens ist der Ärger nur ein vorübergehender Nebel, der sich lichtet. Und die Welle unkontrollierter Gefühle wird verebben und kann durch einen weisen sowie klugen Kopf gebrochen werden. Dann wird Ärger über den Ärger sogar zur Energiequelle eines erneuerten Lebens.

Burkhard Budde