Moment mal

Eigentum achten?

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Eigentum achten? (Achtes Gebot) 

Zehn Lebensperspektiven begründen das Zusammenleben, stärken den Zusammenhalt und erneuern das Zusammenbleiben: Die Zehn Gebote gehören zur einheits- und sinnstiftenden Schatzkammer von Juden und Christen. Sie sind jedoch auch eine Einladung an Andersdenkende, in den Raum des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe einzutreten, um neue Entdeckungen sammeln zu können –  vielleicht auch ein glückseliges Leben in der letzten Geborgenheit bei und durch Gott sowie in der Verantwortung vor Gott und dem Nächsten zu führen.

Die achte Perspektive lautet:

Du sollst nicht stehlen. 

Nicht stehlen?

Eine mögliche Antwort ist:

Weil Gott will, dass seine Geschöpfe durch ihr Eigentum frei und sicher leben können. 

Dein Leben wird beseelt, gewinnt Sinn und Liebe, wenn du das Eigentum anderer achtest, weil du selbst nicht bestohlen oder beraubt werden willst. Eigentum ermöglicht ein vielfältiges Leben in Sicherheit und Freiheit, in Liebe und Vernunft. Wenn rechtmäßig erworbenes Eigentum nicht geschützt wird oder nicht frei verfügbar und einsetzbar ist, verliert der Mensch seine Unabhängigkeit, seine Eigeninitiative und Eigenverantwortlichkeit, sozial, wirtschaftlich und solidarisch zu handeln. Wer viel Eigentum hat, trägt eine besondere Mitverantwortung für die, die weniger oder kein Eigentum haben, ohne dass sein Eigentum vom Staat unverhältnismäßig gemindert wird oder sich für ihn Eigentumsbildung und Vorsorge nicht mehr lohnen.

Aber gibt es nicht auch den Ganoven – hebräisch „Ganav“ – , dem man nicht blind vertrauen sollte, weil er seine Mitmenschen gerne täuscht, übers Ohr hauen oder über den Tisch ziehen will? Doch keiner soll selbst zum Gauner, Dieb, Räuber, Betrüger, Ausbeuter, Abzocker oder Schleuser werden. Keiner soll Menschen rauben, verkaufen oder versklaven und damit ihnen ihre Freiheit und Lebensgrundlage nehmen. Keiner wird gezwungen, ständig streitsüchtig und selbstsüchtig, harmoniesüchtig und gefallsüchtig zu sein; durch solche Verhaltensweisen anderen Menschen nicht nur die Nerven zu rauben, sondern auch ihnen ihre kostbare Lebenszeit zu stehlen sowie ein gedeihliches und sinnstiftendes Miteinander zu verhindern.

Der staatliche Schutz und die Verteidigung des persönlichen Eigentums jedoch, aber auch faire und gerechte, sichere und verlässliche Lebensbedingungen sowie eine begründete Kultur des Vertrauens und der persönlichen Verantwortung bieten besondere Chancen für den Einzelnen und die Gesellschaft: Bei allen Eigentums- und Leistungsunterschieden sowie jenseits von Neid und Gier, von Verschwendung und Geiz kann ein gemeinsames Leben in Würde und Mitmenschlichkeit gelingen – eine bewegende Perspektive, die glücklich machen kann.

Burkhard Budde

 Veröffentlicht in der Kolumne „Auf ein Wort“ des Wolfenbütteler Schaufensters am 5.11.2023