Auf ein Wort

Säkularer Staat mit christlichen Wurzeln

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort 

Säkularer Baum mit christlichen Wurzeln 

Kann der säkulare Staat, in dem wir leben, mit einem Baum verglichen werden, dessen Krone mit unterschiedlichen und vielfältigen Ästen, Blättern, Blüten sowie Früchten wächst?

Manche Früchte sind schmackhaft, andere faul – je nach Sichtweise und Geschmack. Dicke Äste, die noch härter werden, können von morschen Ästen unterschieden werden, die gar nicht so recht zum Baum passen. Attraktive Blüten welken und werden bedeutungslos; neue Blüten bringen viel Frucht. In der Krone gibt es viele flatterhafte und launische Blätter, die vom Wind der Zeit zu Boden fallen, vergehen und vergessen werden, da sie keiner stabilen Gemeinschaft oder Institution (mehr) angehören. Und der Sturm der Gleichgültigkeit und Gedankenlosigkeit gegenüber dem Wohl des ganzen Baumes verstärkt die Atomisierung und Autonomisierung der Krone: Viele „Geschöpfe“ und „Besucher“ des Baumes wollen einfach nur „Chefs“ ihrer eigenen „Wohlfühloase“ sein, zwar solidarisch, aber nur mit Gleichgesinnten – ohne Austausch, ohne Auseinandersetzung, möglichst ohne „schwierige Nachbarn“ in der Krone des Lebens.

Aber wie kann die Vielzahl und Vielfalt in der bunten Krone zusammengehalten werden? Wie können Unterschiede ertragen und vielleicht auch ausgetragen werden, damit sie für das eigene Denken und Verhalten sowie für den ganzen Baum konstruktiv und produktiv wirken? Oder reicht es, wenn die Vielfalt einfach unverbunden nebeneinander existiert?

Um diese Fragen beantworten zu können, braucht der säkulare Baum zunächst eine Selbstvergewisserung, damit der gemeinsame Stamm Halt und Orientierung, Schutz und Leben für alle bieten kann. Und ohne Stamm können die unterschiedlichen Äste auch nicht interagieren, wenn sie es denn überhaupt wollen.

Zur pluralen Krone des säkularen Baumes gehört ein gemeinsamer Stamm, der historisch gewachsen ist:

Die Menschenwürde, die unantastbar, unverlierbar, unverfügbar und unteilbar ist. Sie schließt zum Beispiel Folter und Todesstrafe aus, aber auch Judenhass und Verherrlichung von Gewalt. Die Würde gilt allen Menschen – zum Beispiel geborenen und ungeborenen Menschen; Menschen mit Beeinträchtigungen und Krankheiten, aber auch Sterbenden und strahlt sogar durch eine würdige Abschieds- und Bestattungskultur über den Tod hinaus.

Die Religionsfreiheit, die das öffentliche Bekenntnis, die freie Wahl, die Abwahl, den Wechsel einer Religion umfasst, aber auch die Ignoranz gegenüber einer Religion. Der säkulare Staat respektiert und schützt religiöse Traditionen wie Sonntagsruhe und christliche Feiertage, die er als sein kulturelles Gut wahrnimmt. Er behandelt die Religionen und Weltanschauungen gleich; er ist überparteilich, aber nicht wertneutral. Sonntagsruhe und christliche Feiertage gehören zu seinem kulturellen Erbe.

Die Trennung von Staat und Kirche/Religion, die historisch gewachsen ist und im kooperativen Trennungsmodell („Körperschaft des öffentlichen Rechts“, Zusammenarbeit z.B. im Blick auf diakonische und caritative Angebote der Kirchen) zum Ausdruck kommt, bedeutet grundsätzlich beispielsweise den staatlichen Verzicht auf die Bestimmung von religiösen Inhalten des Religionsunterrichtes (RU) im Rahmen der Werte des Grundgesetzes, wohl aber die organisatorische Ermöglichung des RU.

Ferner gehören Gleichberechtigung, Gewaltenteilung, Gewaltmonopol des Staates, unabhängige Justiz, freie Medien und Föderalismus zum „gemeinsamen Stamm“ – um weitere wichtige Themen zu nennen.

Entscheidend ist jedoch, dass der Stamm Wurzeln hat, eine Kraft- und Energiezufuhr aus der Tiefe des Erdbodens, die der ganze Baum mit seiner bunten Krone braucht, um zu (über-)leben:

Die Würde, die in der Gottesebenbildlichkeit wurzelt, damit sie unverfügbar bleibt.

Ein Bewusstsein, das in der Verantwortung vor Gott wurzelt, damit es zu keiner Vergöttlichung, zu keinen totalitären Absolutheitsansprüchen kommt.

Eine Politik, die im Boden christlicher Werte wurzelt, damit die Freiheit zur Vernunft und zur Liebe, zur Solidarität und Gerechtigkeit eine reale Chance behalten.     

Burkhard Budde