Leserbrief zum Kommentar „Juristenrepublik Deutschland“ von Finn Hohenschwert (F.A.Z. 1. Juli 2025)

Vielen Dank für den Kommentar, dem ich gerne zustimme. 

Die starke Rolle von Juristen in Staat und Gesellschaft sollte nicht noch gestärkt werden: Aus juristischer Dominanz kann schnell Arroganz wegen, die der Vielfalt und dem Gemeinsinn schadet. Wenn das politische und gesellschaftliche Feuer der Leidenschaft von Nichtjuristen zu schnell und zu häufig von juristischen Bedenkenträgern oder gar belehrenden Besserwissern gelöscht wird, bleiben häufig nur Gleichgültigkeit und Desinteresse übrig oder ein Flächenbrand populistischer und undifferenzierter Anfeindungen ist die Folge.

Allerdings sollte die Rolle von Juristen für die Entwicklung einer demokratischen und rechtsstaatlich verfassten Gesellschaft auch nicht unterschätzt werden: Demokratie und Rechtsstaat sind Geschwister, die strukturell und normativ untrennbar miteinander verbunden sind. Ohne juristische Expertise und ohne Bindung an Recht und Gesetz verliert die liberale Demokratie ihre Legitimation und wird zur Willkürherrschaft einer Mehrheits- oder Gruppengesellschaft.

Wir brauchen jedoch keine politischen Juristen, die das politische Geschehen allein durch die juristische Brille beurteilen – aber z.B. auch keine Lehrer, Theologen, Sozialarbeiter, Politologen mit ihren spezifischen und unterschiedlichen Sehhilfen. Wohl aber – unabhängig von dem jeweiligen Beruf, dem Geschlecht, der Herkunft und dem Status – engagierte und kompetente Politiker und Staatsdiener, die in der Lage sind, unterschiedliche Brillen aufzusetzen, vor allem die Brille des Bürgers und des Gemeinwohls sowie die Brille des eigenen Landes im europäischen und globalen Kontext, um komplexe und komplizierte Deutungs- und Gestaltungsspielräume vorurteilsfrei wahrnehmen und dem demokratischen Auftraggeber pragmatisch dienen zu können.

Eine professionelle Mischung macht die Qualität einer Führungsmannschaft aus, weil sie einseitige Sichtweisen und Regelkäfige leichter verhindern kann.

Juristischer Übermut mit Paragraphenreiterei führt zur Regulierungsflut, die sozialen, politischen und menschlichen Fortschritt flutet und verhindert. Demokratische Demut vor einer freien Republik mit Gewaltenteilung ermutigt, Frei- und Entwicklungsräume im Rahmen eines pflichtgemäßen Ermessens wahrzunehmen– ohne Stillstand und Willkür, aber zum Wohl einer wirkmächtigen und zukunftsfähigen Ordnung, die im Bewusstsein der Verantwortung vor Gott und dem Menschen sowie von der Würde und Freiheit geprägt ist. 

Dr. Burkhard Budde, Bad Harzburg

Veröffentlicht in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 3.7.2025