Auf ein Wort

Suche guten Freund

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Suche guten Freund 

Gute Freunde sind kostbar und rar. Sie sind nicht wie Löwenzahn, der fast überall wachsen kann, sondern wie seltene Orchideen – voller Schönheit und inniger Verbundenheit. Wer gute Freunde sucht, sollte jedoch genau hinsehen, geduldig und kritisch bleiben, um nicht getäuscht oder enttäuscht zu werden:

Denn falsche Freunde verstecken ihren Neid und ihre Missgunst hinter einer lächelnden Fassade der Heuchelei. Falsche Freunde können einen „Freund“ in seiner Gegenwart loben, ihn aber zugleich hinter seinem Rücken abwerten, um sich selbst aufzuwerten. Sie machen sich in Windeseile vom Acker, wenn es für sie brenzlig wird und vergessen alle freundschaftlichen Lippenbekenntnisse. Wird ihr „Freund“ nicht länger gebraucht, wird er wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen.

Wer „falsche Fünfziger“ erst einmal durchschaut hat, sollte sie deshalb möglichst meiden – wie einen unberechenbaren Sumpf, in dem der Geblendete und Betrogene leicht versinken kann. Oder – so schlug ein Satiriker vor – ihnen die Zähne zeigen, indem sie angelächelt werden.

Es gibt leider auch Scheinfreunde, die ähnlich wie falsche Freunde schöne Masken tragen und an der Oberfläche freundlichen Gehabes bleiben, in Wahrheit aber kein Interesse an der Person des „Freundes“ mit seinen Gefühlen und Gedanken sowie an seiner Lebenslage haben. Sie sind auch nur „Freunde“ auf dem Papier, versprechen vollmundig viel und halten kleinlaut wenig. Und in schlechten Zeiten kennen sie ihre „Freunde“ nur aus der Ferne.

Dennoch sollte ein Mensch mit Form und Format, Durchblick und Rückgrat diesen „Freunden“ nichts Schlechtes wünschen, da sie sich durch ihr Verhalten langsam selbst vergiften und eines Tages isoliert dastehen. Dass sah Gottfried Silbermann (1683 bis 1753) anders, der insbesondere in Dresden und Freiberg als Orgelbauer wirkte, und von dem der Satz überliefert ist: „Wer jemand lobt in praesentia, Ihn aber tadelt in absentia, Den hole die pestilenzia.“

Doch viel wichtiger als ein Klagelied über ein schlechtes Theaterspiel von respektlosen Rollen- und unglaubwürdigen Etikettenspielern anzustimmen sowie ihnen mit der Keule der Angst zu drohen und Unglück zu wünschen, erscheint die Suche nach einem guten Freund, der auch die Mutter, der Vater, das Kind oder der Ehepartner sein oder werden kann. Allerdings ist es nicht möglich, einen guten Freund per Knopfdruck oder mit Zwang zu entdecken.

Anders als eine flüchtige Bekanntschaft, eine berufliche Kollegialität oder eine zweckgebundene Kameradschaft sind gute Freunde wie echte Orchideen mit coolem Herzschlag zu pflegen: Durch ein Wir-Gefühl, das sowohl in guten als auch in schlechten Zeiten gemeinsame gelebte Werte und Überzeugungen kennt, vor allem durch gegenseitige Annahme und Partnerschaft auf Augenhöhe wächst. Durch ein Kopf-Gefühl, das Verschwiegenheit, Zuverlässigkeit, Aufrichtigkeit, Offenheit, Lernbereitschaft und Hilfsbereitschaft erlebt. Durch ein Bauch-Gefühl, das Freude am gemeinsamen Feiern hat und der Freundschaft eine beflügelnde Leichtigkeit gibt.

Gute Freunde purzeln zwar nicht vom Himmel, aber sie können wie Orchideen ein einzigartiges Geschenk des Himmels sein – in Dankbarkeit und als Ermutigung. Und an der Schnittstelle zwischen Himmel und Erde kann sich Gott wie ein guter Freund offenbaren.

Burkhard Budde