Moment mal

Schöne Gesichter

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Schöne Gesichter 

Menschen entdecken die schönen Gesichter des Lebens. Diese Gesichter sind keine leuchtenden Masken, die hässliche Fratzen  verstecken und täuschen, keine schützenden Masken, die man tragen oder ertragen muss, obgleich sie nicht risikofrei sind, auch bedeuten sie kein Dauerlächeln, um die eigene Unsicherheit zu überspielen oder dem Nächsten seine Zähne zu zeigen. Diese Antlitze sind vielmehr unmittelbar berührende Augenblicke zärtlichen Glücks, die die Augen und das Herz der Seele öffnen.

Zum Beispiel hat dieses schöne Gesicht ein Mensch im Wald entdeckt, wo er Ruhe und Stille sucht, um sich zu erholen, zu entspannen und neue Kräfte zu sammeln. Bewusst atmet er ein, aus und durch, verspürt seinen ganzen Körper, lauscht den unbekannten Liedern der Vögel, die scheinbar um die Wette zwitschern, hört dem leisen Gespräch der Bäume zu, die untereinander in geheimnisvoller Weise sprechen. Unbekannte Kräfte durchströmen ihn und bewegen seine Schritte. Er erlebt die Einheit mit der Natur, vor allem beflügelnde Gefühle wohliger Dankbarkeit, dass er lebt – neu, befreit und gestärkt leben darf.

Nach einer Bergbesteigung berichtet ein anderer Mensch Ähnliches. Was er vom Gipfel aus sieht, hat sein Herz geöffnet und zum Schlagen gebracht: Die wilde Schönheit, die wahre Erhabenheit, die unendliche Weite und die grenzenlose Freiheit sind nach der körperlichen Anstrengung ein ganz besonderes Geschenk – ein Gefühl des Glücks, das er mit den Naturgewalten teilt, weil er mit ihnen verschmolzen ist. Er ahnt, dass er selbst nur ein kleines begrenztes Rädchen eines großen offenen Systems ist, aber dass es dennoch oder gerade deshalb Sinn in seinem Leben gibt, einen unsichtbaren roten Faden. Dass angesichts dieses Glücks all die Probleme in den Tälern des Lebens winzig klein sind –  auf ihn warten können, weil er sie mit dieser Erfahrung leichter, gelassener meistern kann.

Auch das Meer mit seinen Wellen, die kommen und gehen, spielen und verführen, erfrischen und in Schwung bringen, Schätze enthüllen und verhüllen; mit seinen Urgewalten, die sich manchmal rächen, aber auch versöhnlich stimmen, die zerstören, aber auch Neues ermöglichen, spricht mehrere Sprachen, die mit der menschlichen Sprache nur bruchstückhaft und in Bildern zum Ausdruck gebracht werden können. Ist das Meer nicht wie eine  unerschöpfliche Urquelle des Lebens, eine sprudelnde Quelle der Faszination über die Tiefe und Weite, Grenzenlosigkeit und Unberechenbarkeit des Meeres, das Himmel und Erde zugleich verbindet und trennt? Oder wie ein unbekannter Zauberer, der verzaubert und entzaubert, neugierig auf seine Künste macht, wenn man in seine Welt eintaucht und sich immer wieder neu inspirieren lässt? Und der dann zahlreiche Wunder, etwas Unerwartetes, aber heimlich Erhofftes aus seinem Hut zaubert?

Solche oder ähnliche Gesichter schöner Glücksgefühle können helfen, hässliche Gesichter auszuhalten oder in Vernunft und mit Einsatz zu bekämpfen – angesichts toter Wälder, die wie Mondlandschaften wirken, schmelzender Gletscher, die wie nackte Ruinen um Hilfe rufen, oder vermüllter Strände, die als Müllkippe missbraucht werden.

Gefühle schöner Gesichter wecken das Nachdenken und beflügeln die Verantwortung. Und können sogar die Tür zum Raum der Hoffnung öffnen, dass der Schöpfer allen Lebens seine Geschöpfe als Teil seiner Schöpfung nicht im Stich lässt. Denn diese aktivierende und solidarische Hoffnung, ist selbst in der Ohnmacht und im Leiden gegenwärtig. Und bleibt im Gott- und Christusvertrauen sowie in der Glückseligkeit wirkmächtig.

Burkhard Budde