Moment mal
Souveräne Freiheit entdecken
Von Burkhard Budde
Auf ein Wort
Souveräne Freiheit entdecken
Auch wenn der Traum vom Schlaraffenland uralt ist. Er kann noch heute faszinieren: Da fließen vielleicht keine Flüsse aus Milch und Honig, aber es gibt edle Tropfen und verführerischen Nachtisch im Überfluss. Da findet man keine Hexenhäuser aus Brot oder Lebkuchen, die Fenster aus Zuckerguss haben, wohl aber glitzernde Prachthäuser, in denen nur gelacht und gefeiert wird, sich körperliche Freuden mit Tafelfreuden scheinbar auf ewig vermählen. Da existiert kein Jungbrunnen, der eine Jugend ohne Ende verspricht, jedoch ein glückliches Leben ohne Tränen, Schmerzen und Tod. Das Schönste im Schlaraffenland ist jedoch, dass kein Schlafwandler auch nur einen Finger krumm machen muss, weil gebratene Leckerbissen in den Mund fliegen.
Und doch bleibt dieser Traum ein unrealistischer Wunsch, der sogar zum Albtraum werden kann, wenn Trägheit und Nichtstun die eigene Würde zerstören. Wer sich ausschließlich auf Mutter Natur verlässt, die für das leibliche Wohl sorgen soll, oder auf Vater Staat, der ständig Geld für den persönlichen Genuss zur Verfügung stellen soll, vergisst darüber hinaus, das „Mutter“ und „Vater“ nur über begrenzte Möglichkeiten verfügen und selbst auf schaffende und fleißige „Mitstreiter“ angewiesen sind, um ein gemeinsames Leben in Freiheit, Sicherheit und Wohlstand sowie Chancen-, Leistungs-, Bedarfs- und Generationengerechtigkeit ermöglichen zu können.
Natürlich gibt es auch das andere Extrem, wenn ein Mensch keinen Ausweg aus dem Hamsterrad des Lebens findet: Er tritt dann immer auf die gleiche Stelle. Und kommt nicht voran. Er erlebt immer den gleichen Trott. Und findet keine beglückende Zufriedenheit. Er kann die Geschwindigkeit im Rad steigern. Und doch erntet er nur Schwindel- und Ohnmachtsgefühle, vermehrte Enttäuschungen und immer schlechtere Stimmungen. Wenn er sich selbst täuscht, gierig nur sich selbst liebt, am Ende erschöpft aus dem Laufrad geworfen wird und in der Ecke liegt.
Jenseits von „Schlaraffenland“ und „Hamsterrad“ gibt es jedoch auch ein Leben in Würde durch souveräne Freiheit. Was gemeint ist, verdeutlicht folgende Geschichte: Ein Gast wurde im Haus zweier Frauen unterschiedlich behandelt. Die eine Frau kümmerte sich intensiv um das Gastmahl; die andere hörte den Worten des Gastes nur zu. Als sich die „Aktive“ bei dem Gast über die „Passive“ beschwerte, reagierte der Gast überraschend: Er verteilte keine Zensuren, ließ sich nicht instrumentalisieren. Er verherrlichte oder verteufelte weder die „Aktivität“ noch die „Passivität“.
Vielmehr öffnete er beiden Frauen die Tür zu einer neuen Sichtweise: Beide sind frei, eigenverantwortlich zu leben – aber in (selbst-) kritischer Haltung. Beide sollen in einer konkreten Situation selbst entdecken und entscheiden, was das Richtige ist, um eine Not perspektivisch zu wenden.
Es gibt Zeiten – so verstehe ich Jesus, der Gast bei Maria und Marta war –, in denen „Sorge und Mühe“ anzuerkennen, aber „Zuhören“ und Nachdenken wichtiger sind. Es gibt aber auch Zeiten, da sollte der Mensch lieber pausieren, um ins Nachdenken zu kommen sowie Ängste und altes Denken loslassen zu können.
Aber manchmal muss ein Mensch wohl auch seine Traumwelt mit eiskalten Engeln und heißen Teufeln verlassen, um Bodenhaftung zu gewinnen. Um dann mit seinen Händen das Notwendige und Richtige im Möglichen zu tun. Um souverän und verantwortungsvoll in Würde durch geschenkte Würde zu leben.
Burkhard Budde