Moment mal

Nüsse knacken

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Nüsse knacken

Manche Nüsse lassen sich leicht, andere nur schwer knacken. Manchmal gebraucht man Geschicklichkeit und Geduld. Manchmal benötigt man auch einen Nussknacker, um an die leckeren Kerne zu gelangen. Ohne Muße, vor allem ohne Anstrengung jedoch hat man in der Regel keinen Erfolg.

Zur Wirklichkeit zählen unterschiedliche Nüsse: 

Harte Nüsse. Beim Erlernen einer fremden Sprache beispielsweise müssen Vokabeln gepaukt, beim Leistungssport muss hart trainiert, in der Musikszene immer wieder geprobt und im Berufsleben ständig dazugelernt werden, um Erfolgs- und Glücksmomente zu erleben sowie persönlich, aber auch sozial, fachlich und wirtschaftlich voranzukommen und nicht zurückzufallen. Denn wer aufhört, Nüsse zu knacken, wird vom Leben geknackt und verliert auf Dauer seine schützenden Schalen. Ohne Fleiß, Kraftanstrengung und Disziplin, ohne einen langen Atem und realistische Ziele gibt es keine wohlschmeckenden und wohltuenden Kerne. Natürlich gehören zum erfolgreichen Nussknacken auch Talent und Glück dazu sowie die Förderung durch Förderer. Und überhaupt muss der Nussknacker aufpassen, dass vor lauter Übereifer oder falschem Ehrgeiz nicht die schönsten Kerne zerquetscht werden, wenn Nussknacken zum bloßen Selbstzweck, zum Größenwahn oder zur Selbstüberschätzung geworden ist. Aber im Schlaraffenland, in dem nur wenige arbeiten und viele nur Erwartungen und Ansprüche kennen, kann Integration zum gegenseitigen Nutzen auf Dauer nicht gelingen. 

Taube Nüsse stellen böse Überraschungen dar. Der Nussknacker entdeckt, dass hinter schönen und leuchtenden Fassaden gähnende Leere oder diffuse Ängste vor Gesichtsverlust, Zurückweisung und Zurechtweisung herrschen, dass große Worte nur Lippenbekenntnisse und Sprechblasen sind, dass mächtige und unnahbare Riesen sich als unfähige und unwissende Zwerge entpuppen, dass die versteckte Bosheit im Gewand des Guten mit einem Leuchtkranz erscheint. Aber auch wenn „Taubheitserfahrungen“ schmerzen: Befreit eine taube Nuss, die enttäuscht, nicht zugleich von einer Täuschung und eröffnet dadurch einen neuen sinnstiftenden Raum zum persönlichen Wachsen und Reifen?

Das setzt allerdings voraus, dass ein Nussknacker selbst keine dumme Nuss ist, sein will oder bleiben will. In der Tretmühle des Alltags, im Karussell und in der Sisyphusarbeit des Lebens, beim Erklimmen der Karriereleiter vergessen viele, dass es noch ein Leben jenseits von Ignoranz und Arroganz gibt: Stille Räume des Denkens, Nachdenken, Umdenkens und Neudenkens. Und dass es geistliche Nüsse gibt, die man nicht knacken muss, sondern sich schenken lassen kann. Die für den ganzen Menschen gesund sind, ihn stärken und erneuern.

Wovon die Rede ist? Von der Erfahrung vieler gläubiger Menschen, die entdecken, dass sie vor Gott mit leeren Händen stehen, nachdem sie ihre Gleichgültigkeit und ihren Hochmut Gott gegenüber losgelassen haben. Und dafür allerdings mit der frohmachenden Gewissheit letzter Geborgenheit und letzten Sinns, mit neuer Zuversicht und neuer Kraft belohnt wurden. Um anschließend die vielen weltlichen Nüsse zu knacken, indem sie ihre Verantwortung vor Gott und dem Nächsten wahrnehmen, auch wenn es manchmal viel Kraft und Einsatz sowie Mut kostet.

Burkhard Budde