Moment mal
Glück und Segen
Von Burkhard Budde
Auf ein Wort
Glück und Segen
Dankbar blickt ein Mensch auf sein Leben zurück: Nicht hochmütig, sondern demütig. Nicht schwermütig, sondern mutig. Im schwingenden Spannungsfeld von gesundem Selbstbewusstsein und ehrlicher Bescheidenheit.
Sein Rückblick wird zum persönlichen Durchblick. Er hat in seinem Leben viel Gutes erlebt und konnte weitergeben, was er selbst erarbeitet oder empfangen hat. Um es im Bild zu verdeutlichen:
Er hat gesät und gepflanzt, gestaltet und gepflegt – mit Worten und Werken, mit seinen Gaben und Aufgaben, mit seinem Verhalten und seiner Haltung; mächtig, aber auch ohnmächtig, eindeutig, aber auch mehrdeutig. Manchmal wollte er Gutes tun, bewirkte aber das Gegenteil. Manchmal lief alles aus dem Ruder, aber später leuchtete in der Vergeblichkeit Sinn auf. Manchmal schenkte gerade das Zwecklose neue Lebensfreude, Zuversicht und Lebenskraft. Häufig mischten sich und wechselten Gefühle, Gedanken, Worte und Taten.
Erntet er jetzt Früchte – in Fülle, auch zeitnah, noch erlebbar? Wird das Wahre, das Richtige, das Mögliche, das Menschliche in Schönheit aufblühen, wenigstens teilweise in dankbarer Erinnerung bleiben oder schnell verblühen, im anonymen Nichts verschwinden?
Der Jubilar entdeckt in seinem Reifungsprozess Überraschendes:
Gravitas (lat. „Schwere“); worauf es im Leben wirklich ankommt. Weder Geiz noch Verschwendung, weder das liebe Geld noch ein schöner Titel haben im Jenseits eine Bedeutung.
Auctoritas (lat. „Ansehen“); dass das Leben durch ein glaubwürdiges Vorleben, ein hilfsbereites und gerechtes Verhalten sowie eine heitere Gelassenheit wahr- und ernstgenommen wird.
Dignitas (lat. „Würde“); dass in der Ehrfurcht vor dem einzigartigen Leben sowie im mutigen Einsatz für das Leben eine einzigartige Würde aufleuchtet, die selbst im Scheitern nicht verloren geht.
Sophia (lat. „Weisheit“); dass es klug und weise ist, die Zusammenhänge und Wirkungen zu beachten, stets die Vorläufigkeit mit zu bedenken sowie selbstkritisch und lernbereit zu bleiben.
Humanitas (lat. „Menschlichkeit“); dass Freundlichkeit und Höflichkeit, Barmherzigkeit und Hilfsbereitschaft, Vorurteilslosigkeit und Herzensbildung für das Zusammenleben und den Zusammenhalt sowie den Schutz der Schwächeren wichtig sind.
Caritas (lat. „Liebe“); dass wahre Liebe eine sprudelnde Quelle der Freiheit, des Vertrauens, der Verantwortung und Leidenschaft ist, die den breiten Fluss des vielfältigen und vielschichtigen Lebens ermöglicht, bereichert, erneuert und im unsichtbaren Meer des Glaubens an den ewigen Gott mündet.
Agape (lat. „Gottesliebe“); dass der liebende, befreiende und versöhnende Gott dem Menschen die Quelle und den Fluss des Lebens schenkt, damit er als der von ihm Geliebte lieben kann.
Dass der Mensch vieles in der Hand hat, das Säen und Ernten, jedoch das Reifen nur mit Gottes unsichtbaren Händen gelingt.
Ein gereifter Jubilar ist ein froh- und neumachender Segen für andere, weil Gott den Menschen, der reift, segnet.
Burkhard Budde
Veröffentlicht im Wolfenbütteler Schaufenster am 6. August 2023 in der Kolumne „Auf ein Wort“