Moment mal

Bernburg und Till

Von Burkhard Budde

Spuren eines ernsten Spaßvogels 

Till Eulenspiegel in Bernburg und in der großen kleinen Welt 

Das Licht der Welt erblickte er wohl um 1300 im Dorf Kneitlingen am Elm im Landkreis Wolfenbüttel. Und als listiger und böswilliger Schelm verließ die Welt wohl um 1350 in Mölln im Kreis Herzogtum Lauenburg. Und wenn es ihn wirklich gegeben haben sollte, dann hinterließ er in ganz Norddeutschland lebendige Spuren. Auf jeden Fall wurde er weltberühmt, zum Beispiel in Bernburg an der Saale in der Mitte Sachsen-Anhalts. Dort soll er als Turmbläser dem Grafen von Anhalt 1325 die Nase gedreht haben – seine ganz persönliche Duftmarke auf eine bunte Welt „eitler Affen“. 

Als „lüttcher Bengel“, der wohl nie so richtig erwachsen geworden ist, saß er einmal hinter seinem Vater auf einem Pferd, streckte den Leuten die Zunge aus und ließ seine Hose herunter, um sie mit seinem „Arß“ zu „ehren“. 

Später – als „pfiffiger Geselle“ soll er in einer Bäckerei statt „Luffen“ (Brötchen) „Apen und Ulen“ (Affen und Eulen) gebacken haben, um sie nach dem Rausschmiss durch den Meister erfolgreich an die Leute zu verkaufen. 

Als herumstreifender Till Eulenspiegel nahm er mit spitzer Zunge gespaltene Zungen im „Apenheul“ – in einer gierigen und überheblichen Welt – immer wieder die „Affen“ aufs Korn. 

Heute sind viele Menschen aus Bernburg stolz auf „ihren Schalk“, aber auch viele Schöppenstedter („Eulenspiegel-Museum“), Möllner (Eulenspiegel-Museum“, „Gedenkstein“).Braunschweiger („Eulenspiegel Brunnen“, „Haus“) und Wolfenbütteler („Eulenspiegel Radweg“). 

Manche fragen sich, wer dieser Till wirklich gewesen ist, um ihn besser verstehen und deuten zu können: War er ein „bissiger Hund“, der Werte, Konventionen und Wahrheiten anderer missachtete und in den Dreck zog? Ein „spottender Vogel“, der die persönlichen Schwächen aufs Korn nahm und sich über die Verspotteten lustig machte? Oder eine „täuschende Schlange“, die das Gegenteil ihrer derben Sprüche meinte und die wahre Einstellung verdeckte, um sie entdeckbar zu machen? 

Vielleicht wollte „Ulenspeigel“ noch mehr, nämlich Staub abwischen („abulen“), um die Wirklichkeit besser sehen zu lernen – mit der Feder einer Eule („Ule“), also mit „Weisheit“, mit einem „Spiegel“ (plattdeutsch „Speigel“), also mit deftigen Provokationen, da ja der „Spiegel“ des Wildes der „Achteste“ (das „Gesäß“) ist. 

Der Held einer Lebensgeschichte jedenfalls – 1515 erschien das Buch „Ein kurzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel up dem Land zu Brunßwick“, das wohl vom Zollschreiber Hermann Bote aus Braunschweig stammt – mochte keine kleinlichen und humorfeindlichen Menschen. Solche „Korinthenkacker“ mit verdrießlichem und verzogenem Mund konnten zwar viel „quarken“, wenn sie auf ihrer Besserwisserei herumritten, aber am liebsten hielt Till ihnen sowie den vornehmen Spießern und abgehobenen Moralpredigern mit seinen Streichen den Spiegel vor, damit sie ihre eigene Dummheit und die Abgründe leichtsinniger Rede entdecken konnten.

Wenn es die Figur Till Eulenspiegel mit Narrenkappe, Spiegel und Eule nicht gegeben hätte, müsste man sie heute erfinden. Denn sonst könnte die Wirklichkeit durch verkehrende Narreteien nicht gerade gebogen werden. 

Und überhaupt: „Ulenspeigel“ erinnert nicht nur an den goethischen Ritter Götz von Berlichingen, sondern auch an Goethe: „Ich liebe mir den heit`ren Mann am meisten unter meinen Gästen, wer sich selbst nicht zum besten halten kann, der ist gewiss nicht einer von den besten“.

Verzeihung, wenn sich jemandem  auf den Fuß getreten fühlt. Aber er muss nur in den Spiegel schauen, um ein erwachsener Bengel mit freundlichem Humor und leichter Gelassenheit zu werden. 

Burkhard Budde