Moment mal

Reden und denken

Von Burkhard Budde

Moment mal

Reden und denken 

Reden ist Silber, Denken aber Gold?

Die Fische im Aquarium lebten in einer fließenden und sich ständig wandelnden Welt. Hier leuchteten Silber und Gold, die sich aber auch auflösen oder vermischen konnten. Wahlweise wurde geredet, gefragt oder ungefragt, aber auch stumm geschwiegen, manchmal auch mitgedacht oder weit genug gedacht.

Manche Fische redeten miteinander, besonders wenn die Art, die Farben und die Gestalt übereinstimmten oder sich ähnelten, wenn sie sich mochten oder sich gegenseitige Vorteile versprachen oder wenn sie aus beruflichen oder anderen Gründen miteinander reden mussten.

Andere Fische grüßten sich zwar, sprachen aber nicht miteinander. Oder nur über das schlechte Wetter, den treuen Hund, das liebe Geld, den bösen Nachbarn. Oder nur über ihre eigene Person, über andere, über alte Kamellen, über die kaputte Welt. Und ihr muffeliger, lustloser oder überheblicher Gesichtsausdruck wirkte auch ohne Worte, bewirkte ein schnelles Wegschwimmen anderer Fische.

Kam es zu wirklichen Begegnungen mit unbekannten Fischen, wurden Goldfische neugierig und wissbegierig. Denn solche Begegnungen konnten ja reicher und glücklicher machen. Aber bei Haifischen konnten die anderen Fische blitzschnell in ein Versteck flüchten, sich zu einem Schwarm zusammentun, um der Gefahr auszuweichen, schneller zu werden und um Stärke zu demonstrieren.

Eines Tages schwamm ein Fisch gegen den Strom. Seine schwelende Sinn- und Existenzkrise, die gegenseitige Sprach- und Machtlosigkeit – die Angst, gefressen zu werden, seine Abstiegsängste, aber auch die Frage nach dem Fressen, seine Aufstiegshoffnungen – hatten ihn nachdenklich gemacht.

Und er dachte weiter: Sollte sein Leben im Aquarium eines Tages im Nichts verschwinden, als hätte es ihn nie gegeben? Oder könnte es jenseits des Aquariums ein grenzenloses Meer geben, in dem nichts verloren geht, das selbst am Ende nur Neuanfänge kennt?

Wenn das Wasser, das er nicht sieht, von dem er aber lebt, von dem er stammt und zu dem er eines Tages zurückkehrt, das ihm eine unantastbare Würde gibt, selbst die Quelle allen Lebens ist?

Und er dachte an Worte Jesu, die er wie kostbare Goldstücke in seinem Herzen und im Kopf bewegte: „Glückselig sind, die nicht sehen und doch glauben haben!“ Und – wer dem Boten der Liebe und Freiheit neues Leben zutraut, „von dem werden Ströme des lebendigen Wassers fließen.“

Burkhard Budde

Veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe am 28.1.2023 in der Kolumne „Moment mal“