Moment mal
Politik als Tragikomödie
Von Burkhard Budde

Nec aspera terrent
Auch Schwierigkeiten schrecken uns nicht
Moment mal
Politik als Tragikomödie?
Politik sei ein „schmutziges Geschäft“, behauptet ein Bürger. Und schimpft auf die „Feudalherren im demokratischen Gewand“, die selbstsüchtiges Verhalten zeigen würden. „Nein“, widerspricht ein altgedienter Politiker, „Politik ist für die meisten Politiker eine Berufung.“ In Zeiten vielfältiger und gleichzeitiger Krisen sei Politik eine besonders „harte Nuss“, die starke Persönlichkeiten brauche.
In einer Demokratie mit Gewaltenteilung ist Politik sicherlich kein unkontrollierbarer Kampf jenseits aller Werte und des Rechts. Und auch keine Veranstaltung, bei der nur Keulen geschwungen werden oder nur das eigene Süppchen gekocht wird.
Vielleicht kann Politik mit einer Tragikomödie verglichen werden, in der widersprüchliche und ganz unterschiedliche Typen handeln, die trotz ihres eigenständigen Verhaltens miteinander vernetzt sind und bei allen Problemen ein „Happy End“ – Lösungen – erleben.
Auf der öffentlichen Bühne jedenfalls präsentieren und inszenieren sich eine Vielfalt von politischen Charakteren: Im Vordergrund sind Führungspersonen zu sehen – selbstbewusst, möglichst nicht selbstherrlich wirkend, mutig, möglichst nicht übermutig, aber auch nicht zu demütig erscheinend. An ihrer Seite stehen Wegbegleiter, aber auch Wasserträger, die alle nur auf ihre Gelegenheit warten. Vor der Bühne scharen sich Fans, die nicht selten kritiklos auf bekannte Parolen wie auf Knopfdruck applaudieren; Schlaumeier, die es schon immer besser gewusst haben; Neugierige, die häufig nur ihr bestehendes Bild bestätigt sehen wollen; Gegner, buhend und pfeifend, da sie ihre Freund-Feind-Bilder nicht überwinden können – aber auch Fragende und Suchende. Hinter der Bühne arbeiten Teams, die Diener machen und zu Diensten stehen; Strippenzieher, die zwielichtige Tauschgeschäfte vorbereiten. Und aus dem Untergrund tauchen schon mal neidische Maulwürfe und falsche Fünfziger auf, die ihre verletzten Eitelkeiten mit Rachegefühlen zu heilen beabsichtigen.
Jeder nimmt im Blick auf das politische Schauspiel mit realen Wirkungen Unterschiedliches wahr. Keiner sollte dabei nur den Splitter im Auge des anderen sehen und den Balken vor der eigenen Stirn übersehen. Jede konstruktive Kritik beginnt schließlich mit der Selbstkritik. Jeder kann seine eigenen Schubladen im Kopf öffnen, seinen Zeigefinger einziehen, den Daumen nicht nur heben und senken, sondern differenzieren statt zu pauschalieren, unterschiedliche Wahrheiten tolerieren statt seine Wahrheit absolut zu setzen, auf Argumente hören statt einer Stimmung hörig zu sein. Denn „es sind mancherlei Gaben; aber es ist ein Geist.“ (1.Kor 12,4) Dann könnte ein Maßstab die Liebe sein, die in der Verantwortung im Geist des Dienens bei der Suche nach dem Gemeinwohl zum Ausdruck kommt.
Und – meine Überzeugung – den glaubwürdigen Einsatz für die individuelle Freiheit und Sicherheit sowie für die humane Leistungs- und reale Chancengerechtigkeit bedeuten.
Immer bleibt die Achillesferse der Demokratie der einzelne Bürger – engagierte Demokraten, sowohl Wähler als auch Gewählte, möglichst mit Kompetenz und Umsicht.
Burkhard Budde
Veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe am 1.10.2022
in der Kolumne „Moment mal“