Moment mal

Gerechter Wohlstand

Von Burkhard Budde

Moment mal

Gerechter Wohlstand für alle

Auf einem Tisch steht eine Vitrine mit Eintopf. Um den Tisch sitzen hungrige Mäuler. Wie soll der Eintopf verteilt werden? Wer bestimmt die jeweilige Menge? Welche Maßstäbe gibt es bei der Verteilung? Mit welchen Absichten wird verteilt? Spielt die Qualität des Eintopfs eine Rolle?

Die Eltern tragen die Gesamtverantwortung. Kein Kind soll bei der Verteilung  vergessen werden, in Panik geraten oder gierig nur seinen Mund voll genug bekommen. Den Eltern ist der Zusammenhalt der Familie wichtig, dass die Kinder sich vertragen, zusammenhalten und teilen lernen. Der Laute soll dem Leisen, der Schnelle dem Langsamen, der Starke dem Schwachen helfen. Da sich die Rollen ändern können, legen sie Wert auf eine Werte- und Solidargemeinschaft.

Für die Eltern bedeutet eine solche Gemeinschaft, dass die Norm „Alle sollen fair behandelt werden“ sowie die Regel gilt, dass der Einzelne genau das bekommt, das er angesichts seiner konkreten Situation braucht. Das Kleinkind zum Beispiel wird anders behandelt als der große Bruder, jedem das individuell Seine. Die Eltern versuchen angesichts der begrenzten Möglichkeiten, sozialverträglich und ausgleichend zu handeln, aber auch die individuellen Leistungen und Bedürfnisse anzuerkennen. Sie wollen kein Kind einfach bevorzugen oder benachteiligen, sondern jedem einzelnen Kind gerecht werden. Keine einfache Aufgabe!

Noch komplizierter und komplexer wird es jedoch am Tisch des Sozialstaates angesichts der vielen Krisen, die gleichzeig bewältigt werden müssen und die die Preise explodieren lassen. Auch hier gibt es staatliche Hilfen, die begrenzt sind, aber auch Verteilungs-, Macht- und  Interessenkonflikte sowie Angst, Neid und Gier, zudem Moralkeulen sowie einen Überbietungswettbewerb von Wohltaten. Manche Töpfe haben Löcher im Boden. Und auf dem Weg zum Hilfsbedürftigen geht viel Inhalt verloren. Andere werden mit Hilfe von Krediten gefüllt. Und die Lasten zukünftiger Generationen werden verschwiegen.

Für die Verantwortlichen gibt es zwar keine Patenrezepte, wohl aber bewährte Erfahrungen und nachhaltige  Prinzipien: Schwächere brauchen die Solidarität der Stärkeren; beide sitzen an einem Tisch. Soziale Töpfe werden jedoch nicht automatisch gefüllt. Dynamische Wirtschaftlichkeit und soziale Sicherheit gehören im Rahmen eines widerstands- und erneuerungsfähigen Systems

zusammen. Leistungsgerechtigkeit und Hilfe zur Selbsthilfe müssen gefördert werden, gleichzeitig Bedarfsgerechtigkeit und Solidarität. Fairer Ausgleich, reale Chancengleichheit und gezielte Anreize scheinen geeigneter als Gleichmacherei, Einseitigkeit oder plumpe Verteilung, um einen gerechten Wohlstand für alle zu erreichen. Keine einfache Aufgabe!

Gleichwohl hat jeder Mensch eine unverlierbare  Würde, die ihm von Gott geschenkt ist. Und diese Würde befähigt und ermutigt, seine Verantwortung für die gemeinsame Zukunft, die auch Verzicht bedeuten kann, am Tisch der Mit- und Nachwelt wahrzunehmen. Eine Daueraufgabe!

Burkhard Budde

Veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe am 13.8.2022

in der Kolumne „Moment mal“