Moment mal

Wahre Größe

Von Burkhard Budde

Wer ist der Größte?

Moment mal

Wahre Größe zeigen

Wer ist der Größte? Wer hat das Sagen  – auf offener Bühne oder hinter den Kulissen? Wer bestimmt das Gesetz des Handelns – im Kampf um Macht und Einfluss, Geld und Status, Wertschätzung und Anerkennung?

Sind die Größten schillernde Persönlichkeiten, faszinierende Halbgötter oder scheinheilige Schauspieler? Erklimmen vor allem Ja-Sager, die keine Haltung zeigen, aber diszipliniert und gehorsam abwarten können, die Karriereleiter ganz nach oben? Oder Nein-Sager, die zu viel Haltung haben, immer und überall alles besser wissen? Ist der Königsweg nach ganz oben etwa eine Mischung aus Anpassung und Aufbegehren – je nach Zeit und Situation?

Stellen wir uns einmal vor, wir fragen einen gemeinsamen Freund: „Wer ist der Größte in unserer Gruppe?“  Und unser Freund würde antworten: „Wenn einer unter euch der Erste sein will, der soll der Letzte von allen und aller Diener sein.“ Verdrehen wir jetzt die Augen? Schütteln wir bei so viel Realitätsferne den Kopf? Oder schauen wir etwas mitleidig auf ihn herab?

Doch unseren Freund kümmert‘s nicht. Er stellt vielmehr ein Kind in die Mitte der Gruppe und sagt: „Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie ein Kind, dann könnt ihr keine Gemeinschaft mit Gott haben.“ Was will uns der Freund – der biblische Jesus  – sagen? Vielleicht folgendes: Jeder Mensch – auch der mächtige oder ohnmächtige – ist vor Gott so klein wie ein hilfsbedürftiges Kind. Jeder Mensch, ob  gläubig oder nichtgläubig, ist wie ein Kind auf Vertrauen angewiesen. Und das vorbildliche Vertrauen des Kindes ist der Schlüssel zu einem gelingenden Leben mit Gott.

Jesus fügt dann noch etwas Brisantes hinzu: „Wer diesen Kleinen, die an mich glauben, Ärgernis gibt, dem wäre es besser, dass ein Mühlstein an seinen Hals gehängt wird…“ Jetzt ist Schluss mit Machtspielen, überschätzter Selbsterhöhung und inszenierter Selbsterniedrigung: Kinder sind keine Gegenstände oder Spielbälle. Wer ihre Würde missachtet, missachtet Gott. Wer sie aber im Namen Gottes liebt, der schützt und verteidigt ihre Würde.

Freunde  im Geiste Jesu kämpfen für die Würde aller Menschen.  Sie verstehen sich als Diener der von Gott geschenkten Würde  – nicht als Feudalherren oder Frühstücksdirektorinnen;  wollen auch nicht unselbstständig Dienern, süchtig nur ans Verdienen denken oder Herrschaft als „Dienst“ verkaufen. Als „Letzte und Diener aller“ zeigen sie vielmehr Größe – mit Rückgrat und persönlicher Verantwortung, damit der Himmel nicht verdunkelt, sondern die Dunkelheit erhellt wird.

Burkhard Budde

Veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe am 19.2.2022

in der Kolumne „Moment mal“