Moment mal
Eigentore
Von Burkhard Budde

Wer tricks kann Eigentore schießen.
Moment mal
Keine Eigentore
Sie wollte keine Eigentore schießen. Die sympathische Diakonisse war nur eine ehrliche Haut. Sie hatte – wie man so schön sagt – das Herz am rechten Fleck, war immer freundlich, hilfsbereit und um Uneigennützigkeit bemüht. Nicht allen gefiel ihre direkte Art – vor allem nicht ihre flotte Lippe: Sie sagte häufig das, was ihr gerade durch den Kopf ging. Und eckte deshalb manchmal an. Ein Kritiker, mit dem sie „Klartext im Kontext“ gesprochen hatte, flüsterte einmal: „Nicht unter jedem Häubchen steckt ein Täubchen.“
Auch die Diakonisse war ein Mensch aus Fleisch und Blut. Aber als zupackende Dienerin Gottes, ihrer Gemeinschaft und „ihrer Patienten“ traf sie häufig mit ihrer Spruchweisheit mitten in die Herzen und Köpfe vieler Menschen.
Zum Beispiel zitierte sie gerne, wenn ein Mensch Neid- und Rachegefühle entwickelte, die Volksweisheit „Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein.“ Denn wenn einer einem anderen Böses tue – aus welchen Beweggründen auch immer – gehe der Schuss in der Regel nach hinten los. Leuchtet das nicht ein? Wer hinterhältig Intrigen spinnt – eine Person z.B. ermutigt, einen bestimmten Weg zu gehen – und gleichzeitig für gefährliche Löcher auf dem Weg sorgt, braucht sich über den späteren Vertrauensbruch – über den eigenen Schaden – nicht zu wundern.
Oder die selbstbewusste Diakonisse kommentierte verführerische Köder als Speck, mit dem man Mäuse fange. Vielleicht hatte sie nicht daran gedacht, dass es Appetitliches wie Versprechungen und Geschenke gibt, die sich nachträglich als Falle bzw. als vergiftet herausstellen können. Und dass manchmal graue oder bunte Mäuse den Speck selbst mitbringen, um mit ihm in die Falle zu tappen.
Zum Diakonissen-Repertoire der verdichteten Sinnsprüchen, die auf viele konkrete Situationen passten, gehörten auch „Man sägt nicht den Ast ab, auf dem man sitzt.“ oder „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.“ Ihr war offensichtlich wichtig, dass sie selbst und ihre Mitmenschen nicht selbstgerecht abheben, sondern Bodenhaftung behalten und ihre eigene Verantwortung durch Selbstkritik wahrnehmen. Das macht auch das Wort deutlich „Wenn alle in den Brunnen springen, muss man nicht nachspringen.“ Denn ist nicht ein Erfolg durch unkritische Anpassung, aber auch ein Erfolg auf Kosten anderer ein Eigentor, das einem selbst schadet?
Auf jeden Fall werde ich die fromme Frau mit ihren Volksweisheiten nicht vergessen, vor allem auch nicht ihre Lebensdevise „Alle müssen letztlich alles vor Gott verantworten.“ Der das letzte Wort hat, damit Menschen ihre vorletzten Worte bedenken. Und der aus Bösem Gutes wachsen lassen kann.
Burkhard Budde
Veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe
in der Kolumne „Moment mal“ am 26.6.2021