Moment mal

Innerer Stimme vertrauen

Von Burkhard Budde

Auf welche Stimme hören wir?

„Volkes Stimme“ – was ist das? Die öffentliche Meinung oder die veröffentlichte Meinung? Die Meinung der Nachbarin, die durch ihr Verhalten spricht? Die Meinung des alten Mannes, der mir kürzlich zurief: „Ich mach mir meinen Kopf, wie es weitergehen soll. Ich wundere mich, dass man nicht in den Griff bekommt, was nicht zu sehen ist. Aber die Natur wird es regeln!“? Oder die Meinung des Jugendlichen, der mir stolz und selbstbewusst sagte: „Sobald ich geimpft bin, nehme ich den Fuß von der Spaßbremse. Ich habe ein Recht auf mein Leben, das schon viel zu lange eingeschränkt ist.“? Und dann schwärmte er von heißen Partys und coolen Kultkneipen.

Ist Volkes Stimme wie ein Kochtopf, in dem alles Mögliche und Unmögliche mit persönlichen Zutaten brodelt, der von einem zivilisierten Deckel (noch) in Schach gehalten wird?

Viel wichtiger als die Frage nach einer Definition von „Volkes Stimme“, die wohl nie abschließend beantwortet werden kann, erscheint jedoch die Frage: Können wir uns eine eigene Meinung bilden? Und warum hören wir auf welche Stimme? Auf die von kompetenten Experten, weil sie das gefährlich Unsichtbare mit Forschung und Technik bekämpfen? Auf die von glaubwürdigen Politikern, weil sie der Sicherheit aller, der Gesundheit jedes Einzelnen und dem gesellschaftlichen Zusammenhalt dienen? Auf die von vorbildlichen Menschen, weil sie nicht an Selbstoptimierung, nicht nur an Selbstverwirklichung denken, sondern als Geimpfte auch an Nichtgeimpfte, an ihre empathische Mitverantwortung?

Und gibt es nicht auch eine innere Stimme, die keine willkürliche Einbildung ist? Eine Frau verriet mir: „Ich weiß sehr genau, dass es Hoffnung gibt, kann aber nicht wirklich begründen, woher ich das weiß.“ Sie kann nicht auf Erfahrungen zurückgreifen, weil sie ihre schlimme Krankheit, an der sie zurzeit leidet, noch nie erlebt hat. Aber sie hört auf ihr intuitives Gefühl, das ihr keine Sicherheit, aber Gewissheit gibt. Sie hat über diese innere Stimme auch zur Stimme Gottes gefunden, indem ihr Geist sich öffnete, sie aus sich selbst heraustrat und im Gebet eins mit ihrem Schöpfer wurde. Den hat sie – ähnlich wie Jesus damals – angerufen: „Vater, dir ist doch alles möglich, lass mich wieder gesund werden, aber nicht mein, sondern dein Wille geschehe“. Sie hat ihr Vertrauen an den mitleidenden Gott trotz allem nicht verloren. Und der hat ihr eine geheimnisvolle Würde in ihrem Leiden sowie Hoffnung gegen die Hoffnungslosigkeit geschenkt. Und diese Hoffnung ist für sie sogar vernünftig. Denn sonst wäre es keine Hoffnung, die sie trägt, bewegt und tröstet.

Burkhard Budde

Veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe am 27.2.2021

sowie im Wolfenbütteler Schaufenster am 28.2.2021